Der Schmied, der nur kunstvolle Schwerter schmieden konnte
Eine Geschichte von Edmund Padberg
In einer kleinen Stadt lebte einmal ein Waffenschmied, der ein ausgezeichneter Handwerker seines Faches war.
Jeden Tag fertigte er kunstvolle Schwerter und Lanzen für die Ritter des Königs. Er hatte so viel zu tun, dass mit ihm zwei Gesellen und ein Lehrling arbeiteten. Und dies ging so bereits seit vielen Jahren, da immer Krieg herrschte und eine permanent große Nachfrage nach Waffen war. Der König hatte sehr viel Erfolg auf seinen Feldzügen, daher wurden auch die Aufträge an Schwertern immer aufwendiger und teurer. Bald wurde der Schmied ein wohlhabender Mann und wenn er am Abend nach getaner Arbeit vor der Schmiede saß, dachte er so bei sich:
“Ich habe es geschafft, mich kann so leicht nichts mehr aus dem Ruder werfen.”
Die Jahre vergingen und der König wurde älter und hatte genug vom Krieg führen.
Vom vielen Reiten und Kämpfen taten ihm die Knochen weg und er wollte nur noch gemütlich in seiner Burg regieren. Außerdem gab es aus seiner Sicht immer weniger zu erobern, das sich lohnte. Daher traf er eine kluge Entscheidung: der Krieg wurde beendet.
Der Waffenschmied bemerkte dies als erster, denn schon als der König weniger aktiv andere Länder eroberte, gingen die Bestellungen mehr und mehr zurück und das gefiel ihm gar nicht. Ein Jahr nachdem der Krieg beendet war, es könnte so um die Weihnachtszeit gewesen sein, kam ein älterer Mann des Weges. Dieser war mit Lumpen bekleidet und sah wie ein Landstreicher mit einem Wanderstab aus. Er bat den Schmied um etwas Wasser. Natürlich erfüllte der Schmied seinen Wunsch und der Mann sagte:
“Ich sehe Du tust, was Du immer tust und tust es gut, doch es wird Zeit neues zu tun. Die Zeiten ändern sich.”
Der Schmied schaute den Mann an und sagte leicht verärgert: “Warum sollte ich anderes tun? Dieses Handwerk verstehe ich und es gibt keinen im ganzen Königreich, der es mir gleich tun kann. Geh Deines Weges.” Der alte Landstreicher zuckte mit den Schultern und zog weiter. Das nächste Jahr verging und der Schmied bekam kein einziges Schwert mehr in Auftrag. Der Waffenschmied war verärgert und wartete vor seiner Schmiede auf Kunden. Er musste bereits einen Gesellen entlassen und der zweite war auf der Suche nach einer anderen Arbeitsstelle. Wieder zur Weihnachtszeit kam der gleiche Landstreicher vorbei und bettelte erneut um etwas Wasser. Der Schmied reichte ihm den Becher, und während sie beieinander standen, sagte der Mann:
“Jeder Weg, den Du gehst, hat eine Ende. Doch wer dann keinen neuen Weg beschreitet, stirbt an sich selbst.”
Leicht verwirrt schaute ihn der Schmied an und fragte: “Woher weißt Du, wie ich mich fühle?” Nun erwiderte der Mann: “Das ist nicht schwer. Im letzten Jahr schautest Du voll Tatkraft und Stolz in die Welt, jetzt sitzt Du missmutig und gebeugt vor Deiner Schmiede und siehst aus, als würdest Du lange Gespräche mit Dir selber führen.” Mit noch größerer Verwirrung schaute der Schmied an sich herunter und dachte: “Oh Gott, jetzt kann es schon jeder sehen, wie es mir geht.” So sagte er zu dem Mann: “Ja, es ist wohl wahr, es geht mir nicht gut. Es werden keine Schwerter mehr gekauft und was ich auch unternehme, der König und seine Ritter haben dieses Jahr nicht ein Schwert bestellt. Ich hatte ja schon damit gerechnet, dass es nach Kriegsende weniger Schwerter werden, aber das es so schlimm wird, habe ich nicht gedacht. Jetzt habe ich die ganze Schmiede modern eingerichtet und keiner braucht meine Handwerkskunst. Wenn das so weiter geht, bin ich bald ruiniert.”
Der ältere Mann schaute den Schmied lange an und fragte:
“Nur einmal angenommen, Du würdest Dein Können und Deine moderne Werkstatt nicht mehr für den Krieg, sondern für den Frieden nutzen?”
Erschrocken starrte ihn der Schmied an. “Das geht doch nicht, ich bin Waffenschmied, was sollen denn die Leute von mir denken?” Der Mann sprach weiter: “Nur einmal angenommen, es gäbe einen Weg, der Dein Ansehen nicht nur wahrt, sondern sogar vergrößert?” Ein kleines Leuchten ging über das Gesicht des Schmiedes und er antwortete: „Na ja, wenn das möglich wäre, dann wäre dies wahrlich ein großes Geschenk, doch so etwas mag vielleicht woanders gehen, hier aber nicht. Es ist hoffnungslos.”
Mit ruhigem Blick schaute der Mann den Schmied an und sprach: “Vielleicht magst Du Dir einen Moment Zeit nehmen und gemeinsam mit mir eine kleine Traumreise machen.” Irritiert schaute der Schmied den Mann an und sagte: “Von solchen Reisen habe ich wunderliche Dinge gehört und alle, die sie machten, kamen mit einem Lächeln zurück. Das will ich gerne versuchen.”
So begann der Mann zu sprechen: “Schließe, wenn du willst, die Augen und lass Dich überraschen, was geschieht. Nimm einfach wahr, was es wahrzunehmen gibt, sieh, was es zu sehen gibt, und höre, was es zu hören gibt. Und vielleicht gibt es hier sogar etwas zu riechen und zu schmecken. Mit Sicherheit aber ein ganz spezielles Gefühl.”
Durch die ruhige und sichere Stimme entspannte sich der Schmied und wartete, was geschehen würde. Der Mann fuhr fort: “Lass uns gemeinsam eine kleine Reise durch die Zeit machen. Fliege wie ein Vogel in Deinen Gedanken einmal zurück über den Pfad Deines Lebens und schaue, was Du alles erlernt und geschaffen hast.
Vor einem Monat,
vor einem Jahr,
vor fünf Jahren,
vor zehn Jahren,
vor 20 Jahren,
bis zu Deiner Geburt.
Vielleicht kannst Du Dir noch einmal von außen zuschauen und sehen, welche Fähigkeiten und Talente Du in dieser Zeit erworben hast, was Dich zu dem gemacht hat, was Du heute bist.”
Der Schmied hatte das Gefühl, wie ein Vogel durch die Zeit zurückzureisen und sah sich, wie er kraftvoll und kunstvoll Schwerter schmiedete und wie er das Handwerk erlernt hatte, wie er bereits als Junge durch seine große Kraft und Geschicklichkeit aufgefallen war.
“Wenn Du bei Deiner Geburt angekommen bist, beginne alle diese Dinge, die Du gelernt hast, einzusammeln und komme schrittweise wieder in Deinem heutigen Alter an.” Der Schmied saß mit einem leichten Lächeln im Gesicht entspannt neben dem Mann und sagte mit geschlossenen Augen.
“Ich hatte ganz vergessen, wie viel ich in meinem Leben bereits gelernt habe und wie viel Freude es mir schon immer gemacht hat, neue technische Lösungen zu finden.”
Der Mann sprach: “So ist es. Nimm dieses Wissen und lass uns jetzt eine Reise in die Zukunft machen. Lass uns zehn Jahre in die Zukunft gehen und dort am gleichen Ort Platz nehmen. Lass uns jetzt von diesem Platz, so als wäre es jetzt, zurückschauen und den Weg betrachten, den Du mit dem Wissen, das Du schon so lange hast, für den Frieden nutzbar gemacht hast.”
Der Schmied saß lange still da, dann ging ein Lächeln über sein Gesicht und er sagte: “Wie schön, ich sehe viele neue Geräte für andere Handwerker und für die Menschen in ihren Häusern und alle diese Geräte habe ich erfunden. Meine Werkstatt ist wesentlich größer und ich verbringe den Tag nur dann in der Schmiede, wenn ich neue Ideen ausprobiere und mit meinen Gesellen Wege bespreche, wie wir die Herstellung gestalten, damit möglichst viele Menschen diese neuen Geräte zu einem guten Preis kaufen können.” Je länger der Schmied redete, desto glücklicher sah er aus.
Dann sprang er auf und sagte:
“Genau, das ist der Weg, den ich gehen werde.”
Der Mann fuhr fort: “Lass uns noch einen Moment darauf schauen, wie Du hier her gekommen bist und was Du bereit warst, dafür in Kauf zu nehmen.” Der Schmied sah den Mann an und sagte: “Warum gönnst Du mir die Freude nicht?” “Oh, doch”, entgegnete der Mann, ”ich möchte Dir zeigen, wie aus einem kurzen Moment der Euphorie dauerhaftes Glück und Erfolg wachsen können.”
Und so saßen sie noch bis tief in die Nacht und machten Pläne, wie das Ziel zu erreichen ist und immer wieder stellte der Mann diese seltsamen Fragen. Als sie sich spät in der Nacht zur Ruhe legten, schliefen sie tief und fest in der Gewissheit, dass dieses Werk gelingen wird.
Am nächsten Morgen, als der Schmied voll Tatkraft aufstand, fand er das Lager des Mannes leer.
Nur ein Zettel lag auf dem Tisch:
“Ein neuer Weg, gekonnt geschmiedet, bringt große innere Kraft.
Wir sehen uns wieder, wenn Du mich auf Deinem Weg brauchst.”
Weitere Weihnachtsgeschichten aus unserer Serie:
1. Eine besinnliche Adventsgeschichte: die 25. Stunde (Quelle: Kurzgeschichten Sammlung der Karl Leisner Jugend)
2. Der Schmied, der nur kunstvolle Schwerter schmieden konnte (Quelle: Edmund Padberg)
3. Der Schmied und der Barde (Quelle: von Wanderer)
lesen Sie hier ab Mittwoch, den 21. Dezember
4. Der Schmied und das Hufeisen
lesen Sie hier am 24. Dezember